Sozialversicherung

Geringfügige Beschäftigung: Überarbeitete Richtlinien 2019

Überarbeitete Geringfügigkeitsrichtlinien 2019


Ende vergangenen Jahres wurden die überarbeiteten Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen ("Geringfügigkeits-Richtlinien") in einem Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes veröffentlicht. Sie gelten grundsätzlich seit 01.01.2019.

Geringfügige Beschäftigung - Was versteht man darunter?

Eine geringfügige Beschäftigung liegt nach § 8 SGB IV vor, wenn

a. geringfügig entlohnte Beschäftigung (Minijob)

das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450,00 EUR nicht übersteigt.

Bezüge, die vom Arbeitgeber nach § 40 Abs. 2 EStG pauschal versteuert werden (z.B. Mahlzeiten im Betrieb), werden nicht hinzugezählt. Wird die monatliche Entgeltgrenze durch Einmalzahlungen überschritten, ist dies ebenfalls unkritisch, wenn hierdurch die Jahresentgeltgrenze von 5.400,00 EUR nicht überschritten wird.

Mehrere geringfügig entlohnte Beschäftigungen (Minijobs) innerhalb eines Monats werden zusammengezählt. Neben einer sv-pflichtigen Hauptbeschäftigung ist ein Minijob erlaubt.

oder

b. kurzfristige Beschäftigung

die Beschäftigung nicht berufsmäßig ausgeübt wird und innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage entweder von ihrer Eigenart her (z.B. Weihnachtsgeschäft) oder im Voraus vertraglich begrenzt ist.

Mehrere kurzfristige Beschäftigungen innerhalb eines Kalenderjahres werden zusammengezählt.

Bestimmte Personengruppen, wie z.B. Auszubildende, sind von einer geringfügigen Beschäftigung ausgenommen.

Geringfügige Beschäftigung - Grundsätzliche Änderungen in den überarbeiteten Richtlinien

Nachfolgend werden die grundlegenden Änderungen in den überarbeiteten Richtlinien für geringfügige Beschäftigungen gegenüber ihrer Fassung vom 12. November 2014 vorgestellt.

a. geringfügig entlohnte Beschäftigung (Minijob)

Wie beschrieben, darf das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt in einem Minijob 450,00 EUR nicht überschreiten.

Bisher waren zwei Monate mit einem höheren Arbeitsentgelt erlaubt, wenn die Überschreitung vorübergehend und unvorhergesehen war.

Seit dem 01.01.2019 darf die Entgeltgrenze vorübergehend und unvorhergesehen in drei Monaten überschritten werden.

Vorteil: Die Minijobber können so z.B. Unternehmen noch besser dabei unterstützen, unerwartete personelle Engpässe zu überbrücken.

b. kurzfristige Beschäftigung

1. Dauerhafte Verlängerung der Zeitgrenzen:

Auch in 2019 und in den Folgejahren darf eine Aushilfskraft pro Kalenderjahr drei Monate (bei 5 oder mehr Arbeitstagen je Woche) bzw. 70 Arbeitstage (bei 4 oder weniger Arbeitstagen je Woche) kurzfristig beschäftigt sein (Gesetz zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung).

Bis zum 31.12.2014 waren maximal 2 Monate (bei 5 oder mehr Arbeitstagen pro Woche) bzw. 50 Arbeitstage (bei 4 oder weniger Arbeitstagen pro Woche) erlaubt.

Ursprünglich war die Erhöhung der o.g. Grenze als Übergangslösung bis zum 31.12.2018 geplant. Jetzt gilt die Verlängerung der Zeitgrenzen dauerhaft.

Vorteil: Die Aushilfskräfte können sich besser qualifizieren. Unternehmen auf der anderen Seite können ggf. länger auf eine eingearbeitete Kraft zurückgreifen.

2. Prüfung der Berufsmäßigkeit auch bei einer Beschäftigungsdauer < 1 Monat erst ab einem Arbeitsentgelt von über 450,00 EUR

Anders als beim Minijob ist die kurzfristige Beschäftigung nicht in erster Linie vom Arbeitsentgelt, sondern von ihrer zeitlichen Dauer her begrenzt.

Der Gesetzgeber hat jedoch ausgeschlossen, dass sie die Haupteinkommensquelle einer Aushilfskraft darstellt. Aus diesem Grund ist bei einem Verdienst von über 450,00 EUR die Berufsmäßigkeit einer kurzfristigen Beschäftigung zu prüfen.

Dabei galt bisher: War eine Aushilfskraft nur einen Teilmonat bei einem Arbeitgeber beschäftigt, waren die 450,00 EUR anteilig auf die Tage des Beschäftigungsverhältnisses umzurechnen. Ein voller Beschäftigungsmonat wurde dabei mit 30 Tagen angesetzt.

Beispiel: Eine Aushilfskraft ist 15 Tage befristet bei einem Arbeitgeber beschäftigt. Ihr Arbeitsentgelt beträgt 400,00 EUR. Die anteilige Grenze zur Prüfung der Berufsmäßigkeit betrug 450,00 EUR / 30 Tage x 15 Tage = 225,00 EUR. Da das Arbeitsentgelt mit 400,00 EUR die Grenze von 225,00 EUR überschritt, hatte der Arbeitgeber die Berufsmäßigkeit der Beschäftigung zu prüfen.

Diese Rechtspraxis wurde durch Urteil des Bundessozialgerichts vom 05. Dezember 2017 (B 12 R 10/15 R) beendet und die Geringfügigkeitsrichtlinien wurden jetzt entsprechend geändert. Demnach ist auch bei einer Beschäftigung, deren Dauer geringer als ein Monat ist, die Berufsmäßigkeit erst zu prüfen, wenn das Arbeitsentgelt dieser Beschäftigung 450,00 EUR übersteigt.

Beispiel: Bezogen auf unsere Aushilfskraft, die 15 Tage befristet bei einem Arbeitgeber beschäftigt ist, bedeutet dies: Da das Arbeitsentgelt mit 400,00 EUR die 450,00 EUR nicht übersteigt, ist keine Berufsmäßigkeit der Beschäftigung zu prüfen.

Vorteil: Grundsätzlich kann z.B. von einer Berufsmäßigkeit bei einer kurzfristigen Beschäftigung zwischen einem abgeschlossenen Studium und dem Eintritt ins Berufsleben oder während des Bezugs von Leistungen vom Arbeitsamt ausgegangen werden.

Aufgrund des o.g. Urteils bzw. der daraufhin geänderten Geringfügigkeitsrichtlinien, können jetzt auch derartige Personen kurzfristig beschäftigt werden. Eine Prüfung, ob die Beschäftigung berufsmäßig ist, ist nämlich erst ab einem Arbeitsentgelt über 450,00 EUR durchzuführen.

Ein weiterer Vorteil ist, dass kurzfristig Beschäftigten, die nur einen Teilmonat beschäftigt sind, ein höheres Arbeitsentgelt bezahlt werden kann. Dies könnte Beschäftigungen in Bereichen, in denen ein starker Arbeitskräftemangel herrscht, für potentielle Aushilfskräfte attraktiver machen.

3. Zeitgrenze von drei Monaten bezieht sich sowohl auf Kalender- als auch auf Zeitmonate

In den neuen Geringfügigkeits-Richtlinien wird definiert, dass unter den drei Monaten, die eine kurzfristige Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres ausgeübt werden darf, sowohl Kalender- als auch Zeitmonate zu verstehen sind.

Für die Zusammenrechnung mehrerer Beschäftigungszeiten werden volle Kalender- und Zeitmonate mit 30 Kalendertagen berücksichtigt.

Beispiel: Eine familienversicherte Verkäuferin arbeitet befristet

vom 02.05. bis 28.06. (Sechs-Tage-Woche) 57 Kalendertage und

vom 03.08. bis 30.09. (Sechs-Tage-Woche) 59 Kalendertage.

Die zweite Beschäftigung ist keine kurzfristige Beschäftigung, weil zu ihrem Beginn feststeht, dass sie zusammen mit der ersten Beschäftigung die Grenze von drei Monaten (= 90 Kalendertagen) überschreitet.

4. SV-Monatsmeldungen: Abgabegründe für kurzfristig Beschäftigte

Kurzfristige Beschäftigungen sind in der Sozialversicherung grundsätzlich mit den folgenden Abgabegründen zu melden:

10 = Beginn der Beschäftigung und

30 = Ende der Beschäftigung oder

40 = Gleichzeitige An- und Abmeldung wegen Ende der Beschäftigung

5. Keine SV-Jahresmeldungen für kurzfristig Beschäftigte

Seit dem 01.07.2017 sind bereits die SV-Jahresmeldungen für die kurzfristig Beschäftigten weggefallen (6. SGB IV-Änderungsgesetz vom 11. November 2016 (BGBI I S. 2500)).

c. geringfügig entlohnte Beschäftigung (Minijob) und kurzfristige Beschäftigung

1. Steuerfreie "Übungsleiterpauschale" und "Ehrenamtspauschale" zählen nicht zum regelmäßigen Arbeitsentgelt

Bei der Ermittlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts werden nur beitragspflichtige Arbeitsentgeltbestandteile berücksichtigt.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 16 SvEV gehören steuerfreie Aufwandsentschädigungen und bestimmte steuerfreie Einnahmen (§ 3 Nr. 26 EStG), wie z.B. die Übungsleiterpauschale in Höhe von zurzeit 2.400,00 EUR/Jahr sowie die Ehrenamtspauschale von zurzeit 720,00 EUR/Jahr, nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt.

Beispiel: Ein gesetzlich krankenversicherter Hausmann ist im Sportverein als Übungsleiter gegen ein monatliches Arbeitsentgelt von 640,00 EUR tätig. Der Arbeitgeber beabsichtigt, auf das Arbeitsentgelt den als Aufwandsentschädigung vorgesehenen Steuerfreibetrag von jährlich 2.400,00 EUR (Übungsleiterpauschale) anzuwenden. Der Steuerfreibetrag soll pro rata temporis ausgeschöpft werden.

Das regelmäßige Arbeitsentgelt für die Zeit von Januar bis Dezember ermittelt sich wie folgt:
Verdienst (640,00 EUR x 12 Monate=) 7.680,00 EUR
abzgl. Steuerfreibetrag „Übungsleiterpauschale“ 2.400 EUR
= 5.280,00 EUR Sozialversicherungsrechtliches Arbeitsentgelt.

Die Beschäftigung ist geringfügig entlohnt (Minijob), weil das Arbeitsentgelt unter Berücksichtigung der steuerfreien Einnahmen 450,00 EUR (5.280,00 EUR : 12 Monate = 440,00 EUR) nicht übersteigt

2. Ausführungen zur Pauschalbeitragspflicht in der Krankenversicherung bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung (Minijob) eines Arbeitnehmers aus einem anderen EU/EWR-Mitgliedsstaat sowie der Schweiz

Ausländische Arbeitnehmer, die ausschließlich einer geringfügigen Beschäftigung (Minijob und/oder kurzfristige Beschäftigung) in Deutschland nachgehen, sind genauso zu behandeln wie deutsche Arbeitnehmer.

Sind diese Teilzeitbeschäftigten bzw. Aushilfskräfte nicht familien- (§ 10 SGB V ), freiwillig (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 SGB V) oder privat krankenversichert, müssen sie sich möglicherweise gesetzlich krankenversichern (Auffang-Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V). In diesem Fall sind bei Minjobs ebenfalls pauschale Beiträge vom Arbeitgeber zur Krankenversicherung abzuführen.