In Deutschland gab es im Jahr 2015 rund 17,7 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, die eine Anwartschaft auf eine Betriebsrente (eine Form des Versorgungsbezugs) besaßen. Dies entspricht einem Anteil von 57 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
Die Arbeitgeber (Zahlstellen), die Versorgungsbezüge an gesetzlich krankenversicherte Betriebsrentner zahlen, müssen an einem sogenannten Zahlstellenverfahren teilnehmen. In diesem Zusammenhang sind sie zur maschinellen Erstellung und Übermittlung von Meldungen an die Krankenkassen dieser Betriebsrentner verpflichtet. Für pflichtversicherte Betriebsrentner, die neben der Betriebsrente auch eine Rente von der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, haben die Arbeitgeber als Zahlstelle darüber hinaus u.a. die Beiträge für die Kranken- (KV) und Pflegeversicherung (PV) von den Versorgungsbezügen einzubehalten und an die Krankenkasse des jeweiligen Betriebsrentners abzuführen.
Für kleinere Zahlstellen gibt es die Möglichkeit, sich von dieser Pflicht befreien zu lassen.
Am 01. Juli 2019 wird sich die Zahl der Versorgungsbezieher, für die die Zahlstellen Sozialversicherungsbeiträge abführen müssen, deutlich erhöhen. An diesem Tag tritt nämlich Artikel 1 Nr. 90 des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) in Kraft. Danach sind Sozialversicherungsbeiträge für alle versicherungspflichtigen Versorgungsbezieher abzuführen. Zudem gibt es keine Ausnahmeregelung mehr für Kleinstzahlstellen.
Grundlage des Zahlstellenverfahrens: Die Versorgungsbezüge
Das Zahlstellenverfahren beschäftigt sich mit den Versorgungsbezügen.
Versorgungsbezüge sind nach der Definition in § 229 SGB V der Rente vergleichbare Einnahmen, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Hierzu gehören u.a. auch die Betriebsrenten (Betriebliche Altersvorsorge).
Nach § 229 SGB V sind Versorgungsbezüge beitragspflichtig in der Krankenversicherung und damit letztendlich auch in der Pflegeversicherung.
Das Zahlstellenverfahren soll sicherstellen, dass die Sozialversicherungsbeiträge korrekt an die Krankenkassen der Betriebsrentner abgeführt werden.
Das Zahlstellenverfahren
Das Zahlstellenverfahren besteht aus einem Zahlstellen-Meldeverfahren und einem Beitragsverfahren.
Es sorgt im Rahmen des Zahlstellen-Meldeverfahrens u.a. dafür, dass
- die Krankenkassen davon erfahren, welche Betriebsrentner in welcher Höhe Versorgungsbezüge erhalten und
- die Arbeitgeber informiert werden, für welchen Zeitraum und bis zu welcher Höhe sie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Betriebsrentner einbehalten und abführen müssen.
Im Rahmen des Beitragsverfahrens melden die Arbeitgeber den jeweiligen Krankenkassen die für die Betriebsrentner abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge (SV-Beiträge) und führen diese ab.
Privat krankenversicherte Betriebsrentner nehmen nicht am Zahlstellenverfahren teil.
Nachfolgend wird das Zahlstellenverfahren für Versorgungsbezieher vorgestellt, die Zahlungen von einem Arbeitgeber, d.h. von einer Zahlstelle, erhalten.
Das Zahlstellen-Meldeverfahren
Das Zahlstellen-Meldeverfahren erfolgt seit dem 01.01.2011 maschinell. Nur in bestimmten Ausnahmefällen ist für Zeiträume, die vor dem 01. Januar 2011 liegen, eine Papiermeldung erlaubt.
Meldungen der Arbeitgeber (Zahlstellen) - Inhalt der Meldungen
Die Arbeitgeber melden den Krankenkassen (bzw. den Annahmestellen der betroffenen Krankenkassen) der Betriebsrentner die folgenden Informationen zu den auszubezahlenden Versorgungsbezügen (§ 202 SGB V):
- Beginn der Zahlung
- Höhe des Bezugs
- Veränderung des Bezugs (z.B. bei Einmalzahlung im lfd. Monat)
- Ende der Zahlung
Bei bestimmten, vorwiegend gesetzlich versicherten Personen, die Anspruch auf eine Waisenrente nach § 48 SGB VI oder auf eine entsprechende Leistung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung haben und diese beantragt haben, müssen die Arbeitgeber den Tag der Antragsstellung melden (§ 5 Absatz 1 Nummer 11b SGB V).
Meldungen der Arbeitgeber (Zahlstellen) - Meldeanlässe
Die o.g. Meldungen sind nach § 202 Abs. 1 SGB V bei der erstmaligen Bewilligung eines Versorgungsbezugs, der Mitteilung über die Beendigung der Mitgliedschaft eines Versorgungsbezugsempfängers sowie bei der Beantragung einer Waisenrente oder einer entsprechenden Leistung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu erstatten.
Sie erfolgen entweder über systemgeprüfte Entgeltabrechnungs- bzw. Zahlstellenprogramme oder über entsprechende maschinelle Ausfüllhilfen (§ 202 Absatz 2 SGB V).
Eine Meldung ist zu stornieren, wenn sie nicht zu erstatten war oder unzutreffende Angaben enthielt.
Seit 01.01.2012 gibt es die Vorabbescheinigung der Zahlstelle als optionales Verfahren. Vor der erstmaligen Bewilligung eines Versorgungsbezuges kann die Zahlstelle in Form der Vorabbescheinigung die Daten zum Beginn des Versorgungsbezuges an die Krankenkasse übersenden, um von ihr eine Meldung über das bestehende Versicherungsverhältnis und zur grundsätzlichen Beitragspflicht zu erhalten.
Meldungen der Krankenkassen im Zahlstellen-Meldeverfahren
Im Gegenzug erhält der Arbeitgeber von den Krankenkassen der Betriebsrentner Informationen über
- den Beginn der Beitragspflicht
- die Höhe des beitragspflichtigen Betrages (sog. VB-max)
- das Ende der Beitragspflicht
Durch die Neufassung des § 202 Absatz 1 Satz 4 SGB V wurde die Anzahl der Meldungen der Krankenkassen erheblich reduziert: Sie melden jetzt nur noch den maximal zu verbeitragenden Versorgungsbezug (VB-max), wenn die Betriebsrente zusammen mit den gesetzlichen Renten die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung übersteigt.
Auf Antrag der Krankenkassen müssen die Zahlstellen sogenannte Bestandsmeldungen für alle Betriebsrentner versenden. Bestandsmeldungen können aber auch auf Initiative der Zahlstelle oder bei Wechsel der Datenannahmestelle (des Kommunikationspartners) erstattet werden.
Hinweis: Das o.g. Schema gilt im Wesentlichen auch für die freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Versorgungsbezieher. Das Unternehmen (Zahlstelle) führt für sie jedoch keine SV-Beiträge ab.
Voraussetzungen zur Teilnahme am Zahlstellen-Meldeverfahren
Zur Teilnahme am Zahlstellen-Meldeverfahren benötigt der Arbeitgeber eine sogenannte Zahlstellennummer, die Sozialversicherungsnummer des Betriebsrentners, seine Krankenkasse und das Aktenzeichen des Versorgungsbeziehers bei der Zahlstelle.
Die Zahlstellennummer beantragt der Arbeitgeber elektronisch. Die ITSG vergibt diese Zahlstellennummer im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes.
Die Krankenkasse sowie die Sozialversicherungsnummer des Betriebsrentners erhält der Arbeitgeber unaufgefordert vom Betriebsrentner.
Das Beitragsverfahren
Umfang des Beitragsverfahrens
Im Rahmen des Beitragsverfahrens
- berechnen die Arbeitgeber die Kranken- und Plegeversicherungsbeiträge für die Versorgungsbezüge und behalten diese ein,
- melden den betroffenen Krankenkassen die einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge per Beitragsnachweis und
- führen die Beiträge ab.
Berechnung der Beiträge
Die für die Beitragsberechnung maßgeblichen Faktoren sind:
- der Bruttobetrag des Versorgungsbezuges,
- der (allgemeine) Beitragssatz der Kranken- und Pflegekasse sowie der kassenindividuelle Zusatzbeitragssatz,
- der Zuschlag bei Kinderlosigkeit ab dem vollendeten 23. Lebensjahr in der Pflegeversicherung,
- die Beitragsobergrenze (VB-max),
- die Beitragsuntergrenze (2019 sind Bezüge bis zu 155,75 EUR monatlich beitragsfrei).
Anders als z.B. bei einer Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung zahlen die Betriebsrentner i.d.R. die vollen Beitragssätze in der Kranken- und Pflegeversicherung, den Zusatzbeitragssatz in der Krankenversicherung und ggf. den Zuschlag bei Kinderlosigkeit in der Pflegeversicherung allein. Versorgungsbezüge bis zu 155,75 EUR monatlich (2019) sind jedoch beitragsfrei.
Die zu zahlenden Beiträge werden mit der Auszahlung der Versorgungsbezüge fällig.
Die Krankenkassen prüfen spätestens alle 4 Jahre die Beitragszahlungen und die Einhaltung der Meldefristen. Die Krankenkassen stimmen untereinander ab, wer die Prüfung durchführt und teilen dies der Zahlstelle mit.
Zahlstellenverfahren - Bisher geltende Regelungen bis zum 30.06.2019
Bislang müssen Zahlstellen nur bei Versicherungspflichtigen, die auch eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge vom Versorgungsbezug an die Krankenkasse abführen.
Besteht hingegen Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung oder eines Leistungsbezuges, bleibt die Zahlstelle bislang außen vor. In diesen Fällen erlässt die Krankenkasse gegenüber dem Versicherten einen Beitragsbescheid, der die Beiträge zu zahlen hat.
Kleine Zahlstellen, d.h. Arbeitgeber, die eine Betriebsrente an weniger als 30 Versorgungsbezieher auszahlen, können sich vom Zahlstellenverfahren abmelden. Der betroffene Betriebsrentner zahlt in diesen Fällen dann selber seine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Zahlstellenverfahren - Neue Regelungen ab 01.07.2019
Ab 01.07.2019 sind die Zahlstellen verpflichtet, für alle versicherungspflichtigen Versorgungsbezieher Beiträge abzuführen. Die Einschränkung, dass die versicherungspflichtigen Versorgungsbezieher auch eine Rente von der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen müssen, entfällt. Damit sind z.B. auch Versorgungsbezieher beim Zahlstellenverfahren zu berücksichtigen, die beschäftigt sind oder Arbeitslosengeld erhalten.
Zudem müssen ab dem o.g. Zeitpunkt alle Zahlstellen ungeachtet ihrer Größe Beiträge vom Versorgungsbezug einbehalten und abführen. Die Ausnahmeregelung für Kleinstzahlstellen entfällt. Dies wird damit begründet, dass ein elektronisches Zahlstellen-Meldeverfahren auch kleineren Zahlstellen zumutbar ist. Der Aufwand für die Arbeitgeber ist nämlich in diesem Fall deutlich geringer als beim Papierverfahren.