Brückenteilzeit oder Chef, ich bin dann mal weg
Man muss nicht gleich wie Hape Kerkeling auf dem Jakobsweg reisen wollen. Aber es gibt vielfältige Gründe, weshalb Arbeitnehmer eine befristete Teilzeit in Anspruch nehmen möchten. Bislang regelten das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) und weitere Gesetze wie z.B. das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) einen Anspruch auf eine zeitlich nicht begrenzte Teilzeitarbeit. Allerdings fehlte ein Rechtsanspruch, zu einem gewünschten Zeitpunkt wieder zur alten Stundenanzahl zurückkehren zu können.
Dies hat sich seit Freitag (23.11.2018) geändert.
Ab dem 01.01.2019 haben Arbeitnehmer in Unternehmen mit i.d.R. mehr als 45 Beschäftigten einen gesetzlichen Anspruch auf eine sogenannte Brückenteilzeit.
Der Bundesrat hat am Freitag (23.11.2018) den entsprechenden Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts - Einführung einer Brückenteilzeit, das Änderungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) sowie im vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) vorsieht, gebilligt. Das Gesetz kann nun vom Bundespräsidenten unterzeichnet und dann im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Laut Gesetzestext soll es einen Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Die Bundesregierung rechnet mit dem 01. Januar 2019.
Was versteht man unter Brückenteilzeit?
Die neue Brückenteilzeit ermöglicht es Arbeitnehmern, ihre Arbeitszeit (Voll- oder Teilzeit) für einen Zeitraum von mindestens einem Jahr, höchstens aber fünf Jahren zu reduzieren. Tarif- und ggf. einzelvertraglich können abweichende Zeiträume vereinbart werden.
Wie viel Stunden im Rahmen einer Brückenteilzeit konkret gearbeitet werden müssen, ist nicht gesetzlich vorgeschrieben.
Während der Brückenteilzeit sind die Teilzeitbeschäftigten an die vereinbarte Arbeitszeit gebunden. Sie haben keinen gesetzlichen Anspruch darauf, ihre bestehende Arbeitszeit weiter zu verringern oder wieder zu verlängern. Auch ein Anspruch zur vorzeitigen Rückkehr zur Arbeitszeit, die vor der Brückenteilzeit gearbeitet wurde, besteht nicht.
Individuelle Absprachen auf freiwilliger Basis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind aber möglich.
Wichtig: Eine Umwandlung von unbefristeten in zeitlich begrenzte Teilzeitarbeitsverträge (Brückenteilzeit) ist nicht möglich.
Müssen alle Unternehmen Brückenteilzeit anbieten?
• Rechtsanspruch für Arbeitnehmer in Betrieben mit i.d.R. mehr als 45 Beschäftigten
Einen Rechtsanspruch auf Brückenteilzeit gibt es ab 2019 in Betrieben mit i.d.R. insgesamt mehr als 45 Beschäftigten, vorausgesetzt der Antragssteller hat länger als sechs Monate im Unternehmen gearbeitet. Auszubildende und andere Personen in der Berufsbildung zählen dabei nicht mit.
Auch bei befristeten Arbeitsverträgen besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Brückenteilzeit, ebenso bei Leiharbeitnehmern gegenüber ihrem entleihenden Betrieb.
• Ablehnung eines Antrags auf Brückenteilzeit aus betrieblichen Gründen möglich
Der Arbeitgeber kann den Wunsch eines Arbeitnehmers nach Brückenteilzeit aus betrieblichen Gründen ablehnen (§ 9a Absatz 2 TzBfG neue Fassung, § 8 Absatz 4 TzBfG).
Ein betrieblicher Grund liegt z.B. vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigen oder unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde.
Die Ablehnungsgründe können auch in einem Tarifvertrag festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber mit Arbeitnehmern die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Ablehnungsgründe vereinbaren.
• Einführung einer Zumutbarkeitsgrenze
Für Arbeitgeber, die i.d.R. mehr als 45 und nicht mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigen, wird eine Zumutbarkeitsgrenze eingeführt: Sie können einen Wunsch nach Brückenteilzeit auch ablehnen, wenn zum gewünschten Startzeitpunkt der Brückenteilzeit pro angefangene 15 Arbeitnehmer bereits mindestens ein Arbeitnehmer in Brückenteilzeit nach dem TzBfG arbeitet.
• Keine Brückenteilzeit für Auszubildende und Beamte
Das Teilzeit- und Befristungsgesetz gilt für Arbeitnehmer. Daher gibt es keine Brückenteilzeit für Auszubildende. Diese können aber nach § 8 Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. nach § 27b Handwerksordnung (HwO) ihre tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit verkürzen. Für Beamte bestehen in Bund und Ländern z.T. unterschiedliche Regelungen zur Teilzeitbeschäftigung.
In drei Schritten zur Brückenteilzeit
1. Beantragung einer Brückenteilzeit
Möchte ein Arbeitnehmer Brückenteilzeit in Anspruch nehmen, muss er dies mindestens drei Monate vor der gewünschten Verringerung der Arbeitszeit schriftlich bei seinem Arbeitgeber beantragen. Im Antrag muss der Zeitraum für die Verringerung der Stundenanzahl sowie ein Wunsch zur Verteilung der Arbeitszeit (Arbeitstage, Arbeitsstunden pro Tag) stehen.
Da Brückenteilzeit nicht an bestimmte Gründe gebunden ist, muss der Antrag keinen Grund für die zeitlich begrenzte Teilzeit enthalten.
2. Erörterung der Brückenteilzeit
Nach dem Gesetz hat der Arbeitgeber den zeitlich begrenzten Teilzeitwunsch (Brückenteilzeit) mit seinem Arbeitnehmer mit dem Ziel zu erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Es müssen der Zeitraum, die Arbeitstage, die Arbeitsstunden pro Tag und ggf. die Tätigkeit während der Brückenteilzeit geklärt werden.
3. Entscheidung über Brückenteilzeit
Spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Brückenteilzeit muss der Arbeitgeber seine Entscheidung dem Arbeitnehmer schriftlich mitteilen.
Wichtig: Verpasst der Arbeitgeber diese Frist, gilt die Brückenteilzeit als nach den Wünschen des Arbeitnehmers festgelegt.
Ende der Brückenteilzeit - Rückkehr zur "alten" Arbeitszeit
Nach Ablauf des vereinbarten Zeitraums für die Brückenteilzeit kehrt der Arbeitnehmer automatisch wieder zur Arbeitszeit vor der zeitlich begrenzten Teilzeitarbeit zurück. Hierzu ist kein Antrag erforderlich. Dies verschafft sowohl den Arbeitgebern als auch den Beschäftigten Planungssicherheit.
Allerdings hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf, an seinem früheren Arbeitsplatz eingesetzt zu werden. Der Arbeitgeber kann ihm eine gleichwertige Arbeit zuweisen.
Wie oft kann Brückenteilzeit in Anspruch genommen werden?
• Antrag auf erneute Brückenteilzeit
Frühestens ein Jahr nach Rückkehr aus der Brückenteilzeit kann der Arbeitnehmer erneut eine Brückenteilzeit beantragen.
• Antrag auf Brückenteilzeit nach Ablehnung aus betrieblichen Gründen
Wurde bereits ein Antrag auf Brückenteilzeit aufgrund betrieblicher Gründe abgelehnt und war diese Ablehnung berechtigt, kann der Arbeitnehmer erst nach Ablauf von zwei Jahren einen erneuten Antrag auf Brückenteilzeit stellen. Gleiches gilt für die zeitlich unbefristete Teilzeit.
• Antrag auf Brückenteilzeit nach Ablehnung aufgrund Zumutbarkeit
Wurde ein Antrag auf Brückenteilzeit aufgrund der Zumutbarkeitsregelung abgelehnt, war die Ablehnung berechtigt und sind beim Arbeitgeber insgesamt nicht mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigt, kann der betroffene Arbeitnehmer frühestens nach Ablauf von einem Jahr erneut eine Verringerung seiner Arbeitszeit verlangen.
Eine Arbeitszeitverringerung aufgrund anderer Gesetze, z.B. dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, bleibt hiervon unberührt.
Fazit
Nach einer aktuellen Analyse des Statistischen Bundesamtes handelt es sich bei 96,4% aller Unternehmen in Deutschland um Kleinst- und kleine Unternehmen. Auch wenn das Statistische Bundesamt kleine Unternehmen bis zu einer Größe von 249 Mitarbeitern definiert, wird anhand dieser Zahlen bereits deutlich, dass ein Großteil der Unternehmen von der neuen gesetzlichen Regelung nicht betroffen ist.
Aus Sicht der Beschäftigten arbeiten rund 19,3% nach o.g. Analyse bei sogenannten mittleren Unternehmen. Für diese Unternehmen gibt es die Zumutbarkeitsregelung. D.h., bei diesen Unternehmen kann der Antrag auf Brückenteilzeit abgelehnt werden, wenn bereits pro angefangene 15 Arbeitnehmer ein Arbeitnehmer in Brückenteilzeit arbeitet.
Für rund 38,8% der Beschäftigten, nämlich die, die in Großunternehmen beschäftigt sind, gibt es - wenn keine betrieblichen Gründe entgegenstehen - die uneingeschränkte Möglichkeit einer Brückenteilzeit.