Lohnsteuer

Betriebliche Gesundheitsförderung: Seit 2019 Zertifikat für Steuerfreiheit erforderlich

Betriebliche Gesundheitsförderung

Betriebliche Gesundheitsförderung - Hintergrund

"Ich habe Rücken...." Damit es Mitarbeitern nicht ergeht wie Hape Kerkeling alias Horst Schlämmer, bieten viele Unternehmen bereits heute Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung an.

In 2017 hat jeder Arbeitnehmer in Deutschland durchschnittlich 10,6 Tage krankheitsbedingt gefehlt. Damit ist die Anzahl der Krankheitstage gegenüber 2016 zwar wieder leicht gesunken. Jedoch kostet jeder Arbeitsunfähigkeitstag eines Arbeitnehmers ein Unternehmen durchschnittlich 112,00 EUR. Diesen Wert hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin für 2016 geschätzt. In diesem Betrag sind nur die Lohnkosten und ist nicht die ausgefallene Wertschöpfung des Arbeitnehmers berücksichtigt!

Die Techniker Krankenkasse hat die krankheitsbedingten Fehlzeiten der bei ihr versicherten Beschäftigten analysiert und ist dabei für 2017 zu folgendem Ergebnis gekommen:

Gemessen an der Häufigkeit der AU-Fälle und ihrer jeweiligen Dauer gehörten die Erkrankungen des Bewegungsapparats, psychische Störungen sowie Krankheiten des Atmungssystems zu den wichtigsten Erkrankungen.

Angesichts der o.g. Kosten pro Arbeitsunfähigkeitstag und des zunehmenden Fachkräftemangels gewinnen die Betriebliche Gesundheitsförderung und das betriebliche Gesundheitsmanagement immer mehr an Bedeutung.

Betriebliche Gesundheitsförderung – Was steckt dahinter?

Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und der Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz.

Dies kann durch eine Verknüpfung folgender Ansätze erreicht werden:
a. Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen
b. Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung
c. Stärkung persönlicher Kompetenzen

Die Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) zielen dabei direkt auf das Verhalten der Beschäftigten ab. Sie sollen ihnen helfen, ihren Lebens- und Arbeitsalltag im Sinne ihrer Gesundheit zu gestalten.

Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung allein reichen aber nicht aus. Es ist wichtig, dass auch die Unternehmensprozesse, die Unternehmenskultur und letztendlich die Einstellung der Unternehmensführung auf das Thema Gesundheit hin überprüft und ggf. neu ausgerichtet wird. Mit diesem Vorgang beschäftigt sich das betriebliche Gesundheitsmanagement. Die betriebliche Gesundheitsförderung ist demnach ein Teilbereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements.

Betriebliche Gesundheitsförderung - Best Practice-Beispiele

a. Henkel AG & Co. KGaA in Düsseldorf

Die IHK NRW hat in ihrer Broschüre "Betriebliches Gesundheitsmanagement, Best Practice aus NRW" u.a. das betriebliche Gesundheitsmanagement bei der Firma Henkel AG & Co. KGaA am Standort Düsseldorf-Holthausen vorgestellt.

Demnach unterhält die Firma Henkel am Firmenstammsitz ein eigenes Betriebsärzteteam, das die Beschäftigten auf eigenen Wunsch in Anspruch nehmen können. Ansonsten werden u.a.
• Raucherentwöhnungskurse angeboten,
• ein Ampelsystem für die gesunde Kantinenmahlzeit (rot= nicht essen, gelb= nicht so häufig essen, grün= häufig essen),
• die Möglichkeit, in einem Sportverein aktiv zu sein,
• Informationen zum Konflikt- und Stressmanagement im hauseigenen Intranet u.v.m.

b. Google LLC (Firmenhauptsitz in Mountain View, Kalifornien)

Google ist nicht nur in Sachen Suchmaschine ein Vorreiter, sondern bietet seinen Mitarbeitern nach einer Recherche von Corpus Motum auch beim Thema "Gesundheit" eine Vielzahl an Möglichkeiten:

• Fitnessstudios
• Restaurants auf dem Firmengelände
• Kletterwand
• Bowlingbahn
• Beachvolleyballplatz
• von Mitarbeitern gepflegte Kräuter- und Gemüsegärten
• Masseure
• Psychologen
• Ärzte u.v.m.

Interessant sind auch folgende "psychologische" (Gesundheits-)Tricks: Gesundes, wie z.B. ein Salatbuffet, wird bei Google im Vordergrund präsentiert. Die Tellergröße wurde verkleinert, da so automatisch weniger gegessen wird.

Wie bei der Firma Henkel gibt es auch bei Google ein Ampelsystem, das die Beschäftigten über die Inhaltsstoffe der Mahlzeiten informiert.

Auf einem Konferenzrad können mehrere Arbeitnehmer zusammen Fahrrad fahren und draußen bei der frischen Luft neue Ideen sammeln.

Dies sind nur einige Maßnahmen, die der Internetgigant als Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung eingeführt hat.

c. Betriebliche Gesundheitsförderung - Sonstige Maßnahmen

Auch wenn sicherlich nicht jedes kleine und mittelgroße Unternehmen über die finanziellen und personellen Möglichkeiten wie die beiden erwähnten Großkonzerne verfügt, gibt es doch eine ganze Fülle von vergleichsweise günstigeren Maßnahmen, die angeboten werden könnten:
• der Obstkorb ("an apple a day keeps the doctor away")
• Yoga-Kurse
• Rückenkurse und -massagen
• Kochkurse
• Einkaufsschulungen
• Stehpulte
• der aufzugfreie Tag (ganz kostenlos)
• Hautscreening
• Grippeschutzimpfung
• u.v.m.

Betriebliche Gesundheitsförderung - Voraussetzungen für den Erfolg der Maßnahmen

Wichtig für den Erfolg der angebotenen Maßnahmen ist, dass die Mitarbeiter sich eingebunden fühlen. Eine Möglichkeit sind hausinterne Gesundheitstage, an denen die Beschäftigten jeweils auf ein bestimmtes gesundheitliches Risiko aufmerksam gemacht werden.

Kurse, die zur Prävention des vorgestellten Risikos führen, werden so leichter akzeptiert. Außerdem könnte ein hausinternes Vorschlagssystem Ideen und Anregungen für weitere Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung liefern.

Die gesetzlichen Krankenkassen, die örtlichen IHKs etc. bieten in diesem Zusammenhang Unterstützung an.

Betriebliche Gesundheitsförderung - Geänderte Steuerliche Förderung ab 2019

Seit 2008 fördert der Gesetzgeber Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung.

Gemäß § 3 Nr. 34 EStG sind steuerfrei
"zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken und zur Förderung der Gesundheit in Betrieben, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung, Zielgerichtetheit und Zertifizierung den Anforderungen der §§ 20 und 20b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genügen, soweit sie 500 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen;"

Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung dürfen also nicht durch eine Umwandlung von bestehendem Arbeitslohn finanziert werden. Außerdem werden nicht alle Maßnahmen gefördert: So ist der Rückenschulkurs, den der Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung finanziert, steuerfrei. Die Übernahme von Mitgliedsbeiträgen zu einem Fitnessstudio ist hingegen steuerpflichtig (u.a. z.B. FG Bremen, Urteil vom 23.3.2011, 1 K 150/09 (6))

Dies galt schon bisher. Allerdings wird nun neben den §§ 20 auch auf den § 20 b SGB V verwiesen.
Neu ist zudem, dass Verträge mit Anbietern von Maßnahmen zur verhaltensbezogenen Prävention, die seit 01.01.2019 abgeschlossen werden, nur dann steuerfrei sind, wenn der Anbieter und sein Kurs zertifiziert sind.

Betriebliche Gesundheitsförderung - Zertifizierung

Anbieter von Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung können ihre Kurse bei der zentralen Prüfstelle Prävention zertifizieren lassen.

Die Prüfstelle handelt im Auftrag der Kooperationsgemeinschaft gesetzlicher Krankenkassen zur Zertifizierung von Präventionskursen nach § 20 Abs. 1 SGB V. Der Kooperationsgemeinschaft gehören aktuell über 90% der gesetzlichen Krankenkassen an.

Die Zentrale Prüfstelle Prävention prüft die Präventionskurse und Kursanbieter nach den Vorgaben des Leitfadens Prävention der gesetzlichen Krankenkassen.

Die Prüfung und Zertifizierung ist nach Angaben der Zentralen Prüfstelle Prävention kostenfrei und erfolgt innerhalb von 10 Arbeitstagen.

Betriebliche Gesundheitsförderung - Übergangsregelung für 2018 begonnene Maßnahmen

Für Verträge über Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung, die vor dem 01.01.2019 geschlossen wurden, gilt eine Übergangsfrist:

" Für die Anwendung des § 3 Nummer 34 in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2338) ist das Zertifizierungserfordernis nach § 20 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit § 20 Absatz 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch für bereits vor dem 1. Januar 2019 begonnene unzertifizierte Gesundheitsmaßnahmen erstmals maßgeblich für Sachbezüge, die nach dem 31. Dezember 2019 gewährt werden." (§ 52 Abs. 4 S. 6 EStG n.F.)

D.h. erst ab dem 01.01.2020 werden grundsätzlich nur noch Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung steuerlich begünstigt, wenn sie zertifiziert sind.

Fazit

Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung sind eine win-win-Situation für alle: Unternehmen haben im Optimalfall gesunde und motivierte Beschäftigte. Die Beschäftigten sind gesund und arbeiten gerne bei einem Arbeitgeber, der sich um sie kümmert.
Das Unternehmen ist außerdem auch für neue, potentielle Arbeitnehmer interessant. Dieser Vorteil ist angesichts des immer stärker werdenden Fachkräftemangels nicht zu unterschätzen.